Sein Name ist den Schwarzkollmern bekannt. Wir haben ihm ein Gebäude gewidmet, wir wissen, das er hier bei uns geboren wurde und seine Kindheit verbrachte. Weniger bekannt ist wohl, das David Traugott Kopf in mehreren Schriften zur Pädagogik seine alte Heimat sehr detailliert beschrieb.
Er wurde am 13.4. 1788 in Schwarzkollm als Sohn des Schulmeisters und Kantors von Schwarzkollm und Tätzschwitz geboren und sollte später vor allem als sorbischer Pädagoge und Begründer der ersten Lehrervereinigung bekannt werden. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement als Erziehungsinspektor in der Berliner Anstalt (Hallesches Tor) für sittlich verwahrloste Kinder. David Traugott Kopf stirbt am 2. November 1865 in Berlin. Dieser Artikel ist also auch eine kleine Erinnerung an seinen Todestag vor 157 Jahren...
Biographie oder Reiseführer?
Nicht immer ist es leicht, Beschreibungen kleiner Dörfer in der Geschichte zu finden- man wälzt Kirchenchroniken, hofft auf Hinweise in anderen Texten... und stößt dann plötzlich auf der Suche nach Krabat auf die ehemaligen Einwohner von Schwarzkollm. Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, eine Art "Reiseführer" für Schwarzkollm um 1800 zu finden, aber da hatte ich mich auch noch nicht wirklich mit unserem Pädagogen beschäftigt. In seiner Biographie, die er für das Buch:
Das pädagogische Deutschland der Gegenwart oder: Sammlung von Selbstbiographieen jetzt lebender, deutscher Erzieher und Lehrer. Für Erziehende. Hrsg. Dr. F.A.V. Diesterweg, Director des Seminars für Stadtschulen -in Berlin. Zweiter Band, Berlin 1836
beisteuerte (ab Seite 51), findet sich der wohl einzige so ausführliche "Historische Reiseführer" Schwarzkollms. Dorfkenner werden vieles wiedererkennen, Anderes wird "neu" erscheinen. Da diese Quelle eine der Wichtigen für das gesamte Forschungsprojekt zur Krabatsage war und noch sein wird, möchte ich Ihnen heute diese Quelle direkt zur Verfügung stellen. Da das Original zwar über Google Books frei zugänglich ist, damit aber auch eine ständige, eher umständliche Suche nach Textstellen verbunden ist, entstand diese Abschrift meinerseits (mit leichten Anpassungen der Rechtschreibung, wo sinnvoll).
Dieser heutige Teil der Biographie bezieht sich auf den Ort Schwarzkollm und seine Lage, Gebäude und auch das tägliche Leben und Bräuche. Es ist ein Bild aus der Zeit um 1800, welches sich in diesem Text entrollt. Kopf beschreibt das Dorf vor dem großen Brand, welcher am 17. März 1847 fast das gesamte Dorf vernichtete. Dies wird vor allem in der Beschreibung der Kirche und des Schulgeländes deutlich, die heute nicht mehr dieses Aussehen haben. Ich hoffe, damit auch all denen eine Freude machen zu können, die sich mit der Ortsgeschichte beschäftigen und sich mit älteren Drucktexten etwas schwer tun. Zur Übersicht habe ich mir erlaubt, einzelne Abschnitte zu setzen; der ursprüngliche Text ist nicht unterteilt und somit auch eher unübersichtlich für die Forschung zu einzelnen Punkten. Zur Unterscheidung sind die Textabschnitte von David Traugott Kopf in Kursiv als Zitate dargestellt.
"Ich will mit der Beschreibung meines Geburtsortes anfangen."
Schwarz-Collm liegt eine kleine Meile westlich von Hoyerswerda, drei Stunden nördlich von Camenz und eine starke Meile ostsüdlich von Senftenberg. Die Lage dieses Dorfes hat beim ersten Anblick nichts Angenehmes, denn nach Süden und Westen hin hat man wegen der ungeheuren Waldungen gar keine Aussicht; östlich erhebt sich das mit Kieferbäumen bewachsene Steingebirge, wo Jahr aus Jahr ein Granitsteine gebrochen werden; nördlich und nordöstlich findet man Teiche und hinter diesen eine Waldung, welche das schwarze Rabenholz genannt wird. Die Feldmarken von Schwarz-Collm bilden (beinahe) eine Kreisfläche von bedeutendem Umfange, denn das Dorf ist ziemlich groß. Es zählte damals 6 Ganzhüfner, 42 Halbhüfner, 3 Gärtner, mehrere Häusler und Kolonisten.
Der Brösinggraben und die zwei Mühlen
Südöstlich, etwa 10 Minuten von der Kirche entfernt, liegt die Brösingmühle, eine halbe Stunde nördlich aber die Resagmühle. In dem nach Süden gelegenen großen Walde ist ein Berg, der Gerichtsberg genannt, in dessen Nähe der Brösinggraben seine Quelle hat; an diesem Graben liegt die Brösingmühle, unterhalb welcher der Graben sich trennt.
Der stärkere Theil desselben fließt durch das fast schnurgerade von Süden nach Norden sich weit ausdehnende, ziemlich gut gebaute Dorf, und liefert den Bewohnern ein klares, sehr gesundes Trink-, Koch- und Waschwasser. Beide Ufer sind mit Laubholz bepflanzt, und geben dem Innern des Dorfes einen eigenthümlichen Reiz. Das Dorf bildet eine sehr breite anmuthige Gasse, die in der Mitte einen hohen gepflasterten Damm hat, also daß man auch in nassen Zeiten trockenen Fußes durch das lange Dorf kommen kann.
Der schwächere Theil des Brösinggrabens bewässert zwei, östlich des Dorfes gelegene Karpfenteiche, von denen einer dem Pfarrer, der andere dem Staate gehört. Zwischen beiden Teichen liegt eine schöne Weide, die sich östlich hin bis zu den sehr fruchtbaren Pflanzgärten ausdehnt.
Die Marienkirche und der ehemalige Wallfahrtsort
Zu diesem Textabschnitt möchte ich Ihnen eine kurze Hintergrund-Information geben: Das Schwarzkollm einstmals Wallfahrtsort war, ist völlig in Vergessenheit geraten und wurde erst durch unser Projekt wiederentdeckt. Auch die Figuren der beiden Schächer sowie die erwähnte Sakristei unter dem Turm waren vergessen. Kopf gibt hier Informationen, die anscheinend damals allgemein bekannt waren, denn sie finden sich bei genauer Suche in anderen Quellen bestätigt. Gerade dieser Teil der Geschichte des Ortes ist somit von besonderem Interesse und wird hier in Zukunft stärker beleuchtet werden.
Die Kirche, wahrscheinlich eine der ältesten in der Lausitz, ist ein sehr festes, schönes Gebäude, mit einem korpulenten, daher geschmacklosen Turm versehen. Auf welchem drei Glocken und ein vortreffliches Uhrwerk sich befinden. Das Geläute ist harmonisch und weit zu hören. In der fast bombenfesten Sakristei unterm Turme wird der Kirchenschatz aufbewahrt. Ein Marienbild, so wie die Bildnisse der beiden Schächer Gesmas und Desmas, drei seltene Antiken, zu welchen in katholischen Zeiten häufige Wallfahrten sollen geschehen sein, befinden sich ebenfalls in der Sakristei. Von diesen Wallfahrten soll sich der bedeutende Kirchenschatz herschreiben.
Das Innere der Kirche mahnt durchgängig ans katholische Wesen. Alles ist bunt; auf der Decke findet man die merkwürdigsten Geschichten des alten Testaments, auf den Chören die des neuen Testaments mit stechenden Farben ziemlich gut abgebildet; Kanzel und Altar sind geschmackvoll dekoriert, so wie überhaupt Alles so trefflich eingerichtet ist, daß Unordnungen fast gar nicht vorkommen können.
Die Schulkinder, die Jünglinge und Jungfrauen, die Ehemänner und Ehefrauen, die Wittwer und Wittwen haben ihre besonderen Sitze angewiesen, ja auch für die H-n ist eine besondere Loge (Stand) vorhanden. Ich hätte sagen sollen: so war es damals, als ich Collm verließ, weil ich nicht weiß, ob diese Ordnung noch heute besteht; auch kann es sein, daß Gesmas und Desmas vom Zahne der Zeit oder von den Würmern vernichtet worden sind.
Der Friedhof / Kirchhof von Schwarzkollm
Der Kirchhof, eine vollkommene Kreisfläche, wurde von einer starken Mauer eingeschlossen; majestätische Linden erhoben sich im innern Raume, und ihre Gipfel ragten hoch über die Spitze des Turmes empor. Pirolen, Finken und andere Vögel schienen hier ihr Elysium zu haben.
Der vierte Theil des Kirchhofes war für die Bedürfnisse der Gemeinde groß genug, die übrigen Räume bildeten eine schöne Grasfläche, auf welcher mannigfaltige Blumen, namentlich viel Veilchen und Feuernelken blühten. An die Giebelmauer der Kirche lehnten sich kostbare Leichensteine verstorbener Prediger. Alles beurkundete Ordnung, Geschmack und Wohlhabenheit.
Das Schulhaus
So wie die Kirche, so waren auch die Pfarr-und Schulgebäude beschaffen; alle entsprachen ihrem Zwecke vollkommen; sie waren massiv, bequem und freundlich eingerichtet. Das Lehrzimmer im Schulhause war groß und hell, die Wohnstube meines Vaters geräumig und nett, mehrere Kammern, eine gewölbte, große Küche, eine Dachstube mit Seitenkammern, ein schöner Getreideboden, Keller, Backofen, drei Ställe, ein Holzschuppen und eine ziemlich große Scheune, machten die nutzbaren Räume der Schulgebäude aus. Man sieht, daß hier für Alles gesorgt war.
Der Kirchberg (Kubitzberg) und der Hankabrunnen
Kirche, Pfarrhaus und Schule lagen am östlichen Fuße eines Berges, der sich etwa 80 Fuß über den Spiegel der schwarzen Elster erhebt, und von dessen Spitze man nach Norden hin eine schöne Aussicht hat. Dem nördlichen Abhang dieses Berges entspringen zwei Quellen, von denen einer ein kristallreines Wasser der Försterei zuströmen läßt; der andere ist ein periodischer Quell und heißt Hankaborn. Dieser Name schreibt sich von einer interessanten Legende her, die ich zu seiner Zeit mittheilen werde.
Vom Ackerbau und den Gewerken
Wie Kirche, Pfarrhaus und Schulgebäude von Ordnungsliebe zeugten, so beurkundeten auch die übrigen Gemeinde-Einrichtungen einen seltenen Ordnungssinn. Die Feldmarken, ringsherum mit einem 6 bis 8 Fuß hohen Zaun umgeben, waren regelmäßig in 3 Schläge eingetheilt, deren einer mit Roggen, der andere mit Buchweizen, der dritte mit andern Sommergewächsen, z.B. Kohl, Kohlrüben, Erdäpfeln (Kartoffeln), Gerste, Hirse, Hafer, Flachs etc. besäet wurde. Damit wurde in jedem Jahre gewechselt.
Die Gemeinde unterhielt einen Schmiedemeister, einen Schäfer, einen Gänsehirten, einen Nachtwächter und 2 Feldhüter. Diese Leute waren so dotirt, daß sie mit Nahrungssorgen nicht zu kämpfen hatten.
Von den Schwarzkollmern und ihrem Alltag
Der Geist, der hier durchgängig herrschte, war religiös; man würde ihn heute bigot nennen. Ich habe, so lange ich in meiner Eltern Hause war, keinen betrunkenen Menschen gesehen, von keinem Bewohner je gehört, daß er Schulden habe; nur ein Frauenzimmer lernte ich kennen, welches unehelich geboren hatte. So religiös aber das Volk war, so war es doch im Ganzen sehr heiter. Singend gingen die Weiber und Jungfrauen auf´s Feld, singend arbeiteten sie, und singend kehrten sie zurück.
Das Gasthaus und die Feiern
Dem Gastwirth, der ein kräftiges Braunbier brauete, auch eine tüchtige Branntweinbrennerei hatte, fehlte es des Sonntags Nachmittags von 4 bis 9 Uhr nicht an Gästen. Sechs Mal fanden jährlich Tanz-Belustigungen statt, nämlich an jedem dritten hohen Festtage (Weihnachten, Ostern und Pfingsten wurden hier drei Tage hindurch gefeiert), am Fastnachttage, beim großen Scheibenschiessen am Schlusse der Ernte und am Kirchweihfeste.
Bei Kindtauffeierlichkeiten wurde fast niemals getanzt, dagegen ging es auf Hochzeiten sehr lustig zu. Ein Frauenzimmer, welches unehelich geboren hatte, durfte keinem Tanzvergnügen beiwohnen; es war auf immer geächtet.
Hahnenschlag, Kegelschieben, Wettrennen, Ringen, Werfen nach einem bestimmten Ziele, Schießen mit Armbrüsten nach einem auf eine Stange erhöhten Vogel, oder nach einer Scheibe, das waren die gewöhnlichen Spiele der Jünglinge und Knaben, wobei die verheirateten Männer bloße Zuschauer waren. Im Gasthofe wurde auch Karte gespielt, aber nie um Geld.
Die singenden "Dirnen" von Schwarzkollm
Mit allen Spielen, die nämlich nur Sonntags Nachmittage statt fanden, wurde von 7 bis 8 Uhr eine Pause gemacht, denn um 7 Uhr versammelten sich sämmtliche Dirnen vor der Wohnung des Dorfrichters, stimmten Gesänge an, gingen in Prozession durch´s Dorf, und blieben oberhalb des Pfarr-und Schulhauses ein Weilchen stehen, um sich auszuruhen. Während dieser Pause ließen sie sich beim Pfarrherrn oder Schulmeister erkundigen, ob einer dieser Herrn ein besonderes Lied vorzuschlagen hätte; war dies der Fall, so sangen sie einige Strophen dieses Liedes vor den Häusern ihrer Lehrer, und zogen dann singend ihre Straße nach dem entgegengesetzten Ende des Dorfes, wo ein stilles Gebet gehalten und sodann auseinander gegangen wurde.
Während dieser Prozessionen, die von Ostern bis zum Kirchweihfeste an jedem Sonnabend und Sonntage statt fanden, ruhten, wie gesagt, alle Spiele-; bei schönem Wetter saßen Frauen, Männer und Kinder vor ihren Häusern unter grünen Bäumen, und sangen leise mit; war das Wetter schlecht, so wurden wenigstens die Fenster geöffnet, damit die singenden Dirnen wahrnehmen konnten, daß man ihrem Gesang Aufmerksamkeit schenkt.
Weitere Berichte David Traugott Kopfs´ zu seiner alten Heimat
Der heutige Artikel ist nur ein kleiner Teil von dem, was Kopf uns hinterlassen hat. Seine Berichte zur Dorfschule und dem Unterrricht, zum vom Tagebau vernichteten Ort Groß Partwitz und anderen Eindrücken zur Region um Hoyerswerda werde ich Ihnen gern zu späterer Zeit zur Verfügung stellen, ich überlasse es jetzt den (alteingesessenen) Schwarzkollmern, ihren Ort in diesem Text wieder zu entdecken. Sollte dies zu Erinnerungen aus Ihrer Kindheit führen, die Sie gern mit anderen teilen möchten, wenden Sie sich gern an mich.
Nur, wenn Erinnerungen auch (schriftlich) festgehalten werden, können sie zu späterer Zeit alte Geheimnisse wieder aufdecken- dieser Text von David Traugott Kopf ist bester Beweis dafür!