Krásná Lípa - Ein ganz besonderer "Friedhofs-"Ort in Tschechien


Pettrich - Zimmer - Dittrich- Schwarz- wo fängt man an, wo hört man auf?

 

Wundervolle Friedhöfe gibt es viele in unserer Region, in welche ich auch das Dreiländereck einbeziehe. Es gibt auch sehr viele schöne Städte mit interessanter Geschichte zu erkunden. Bei manch einer Stadt vergessen wir schnell, daß diese nicht immer zu dem Land gehörte, in welchem sie heute liegt. Und manchmal kann es passieren, das wir einen gewaltigen Teil unserer eigenen Geschichte- die Zusammenhänge innerhalb dieses Spinnennetzes- völlig neu entdecken, wenn wir über die heutigen unsichtbaren Grenzen zurück schauen. So manch eine Böhmische oder Schlesische Stadt birgt noch verborgene Geheimnisse, die erst wieder entdeckt werden müssen- manchmal auch von den eigenen Anwohnern, wie es zum Beispiel seit den 2000er Jahren in Krásná Lípa passiert.

  

Löwe von Clemens Grundig in Krásná Lípa Foto: Susann Wuschko
Der Böhmische Löwe bezwingt den Preussischen Adler (auf dem Schild). Einen ganz ähnlichen Löwen schuf Clemens Grundig auch für den Ort Grumbach bei Dresden.

Als Skulpturenforscherin und Gartenfreundin mit der Ausrichtung zur Friedhofskunst habe ich allerdings bei diesem kleinen Städtchen ein Problem: Wo fange ich an, wo höre ich auf? Franz Pettrich sowie wohl auch sein Sohn wirkten hier. Ein Bildhauer namens Zimmer hinterließ seine Spuren. Und dann wäre da noch der Textilfabrikant Dittrich, der einen Friedhof, einen Park und ein ganzes Mausoleum mit Figuren der Bildhauerfamilie Schwarz den heutigen Erben der Kleinstadt vermachte.

 

Nicht zu übersehen ist allerdings auch ein Werk vom Dresdner Bildhauer Clemens Grundig -der prunkvolle Löwe am Stadtpark gemahnt noch heute von weitem sichtbar an die Gefallenen eines längst vergangenen Krieges von 1866.

 

Eines ist sicher: ein kurzer Besuch in Krásná Lípa  im Schluckenauer Zipfel reicht nicht, um diese Geschichte der Böhmisch-Sächsischen Bildhauerkunst zu erfassen! So werde ich wohl in Zukunft noch öfters dort vorbeischauen. Der Weg ist nicht so weit, wie Sie vielleicht denken.  Wenn man bereits das Oberlausitzer Bergland erkundet ist dieser Teil Tschechiens nur einen Katzensprung entfernt.

 

Hielle & Dittrich - ein Textilunternehmen und eine vergessene Zeit

 

Die Bedeutung der Textilindustrie im heutigen Dreiländereck ist auch heute noch überall in der Region ersichtlich. Ob Villa, Umgebindehaus oder Fabrikanlage- das Bild ist in vielen Orten ähnlich. Hier wurde einst viel Geld mit der Verarbeitung von Flachs oder Baumwolle verdient und tausende Menschen fanden Arbeit und Lohn in der heute wirtschaftlich eher unbedeutenden Region.  Die Probleme der letzten Jahrzehnte sind nicht zu übersehen, Vieles ist nicht so gepflegt, neu und touristisch erschlossen, wie man es gewohnt ist. Industriebauten harren einer Neunutzung, an vielen Gebäuden bröckelt die Farbe und die deutsche Mentalität des äußerlichen Perfektionismus prallt im Schluckenauer Zipfel oft auf das "passt schon so" der tschechischen (?), wohl eher nach innen gewandten Seele. Für manch einen mag diese Region wie ein Ausflug in eine andere Welt erscheinen- immer schwingt etwas "Früheres", "Vergangenes" mit. Wer sich nicht mit der Geschichte der Region jenseits der heutigen Deutsch-Tschechischen Grenze beschäftigt, wird wohl erst auf den 2. Blick verstehen, was es ist- dieses Vergangene, so Bekannte- dieses Deutsche, das innerhalb kürzester Zeit verdrängt, ausgesiedelt und vergessen wurde. 

 

Schönlinde Neuer Friedhof. Foto: Susann Wuschko
Ob diese schöne, alte Linde Namensgeber war? Wer weiß, auf dem Neuen Friedhof zieht sie sofort Blicke auf sich.

Vor 1945 lebten in Schönlinde- so der deutsche Name von Krásná Lípa ca. 97% Deutschböhmen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde diese Bevölkerung, welche seit Generationen hier gelebt hatte, vertrieben und sogenannte Repatrianten (Kriegsflüchtlinge, Vertriebene u.a.) sowie eine große Anzahl an Roma angesiedelt. Diese neuen Siedler hatten keinen Bezug zur Historie des Ortes; die einst großen Familienunternehmen der Textilbranche wurden verstaatlicht. Kein Blick zurück auf die Zeiten, in denen ein Großindustrieller wie Carl Dittrich als Mäzen einer ganzen Stadt wirkte und nicht nur ein Krankenhaus erbauen ließ, sondern sich ebenso um das Wohl seiner Arbeiter sorgte.

  

Sein Vater Carl Dittrich sen. hatte zusammen mit Karl Theodor Hielle 1849 die Garnhandelsfirma in Schönlinde gegründet, es sollte eines der größten Unternehmen der Branche werden und bis nach St.Petersburg ausstrahlen. Der Sohn Carl Dittrich wurde 1853 in Schönlinde geboren und führte die Firma bei Übernahme als Aktiengesellschaft erfolgreich bis zu seinem Tode 1918 (übrigens in Dresden in seiner Villa auf dem Weißen Hirsch) weiter. Bereits der erste Weltkrieg sollte seine Spuren hinterlassen, letztendlich endet die Geschichte von Hielle & Dittrich in der Enteignung nach 1945. 

 

Das beheizbare (!) Mausoleum der Familie Dittrich

Mausoleum Dittrich Foto: Susann Wuschko
Grabmal mit Heizhaus-Ruine. Sieht man auch nicht alle Tage...

Im Jahre 1881 schenkte Carl Dittrich jun. der Stadt Krásná Lípa einen Teil seines Grundbesitzes zur Errichtung eines Neuen Friedhofes. Bedingung war, das es ein ökumenischer Begräbnisort werden würde. Da Carls Mutter Katholikin war, sein Vater allerdings Protestant, prägte dies wohl sein Leben.

 

Ab 1888 entstand nach dem Entwurf von Julius Carl Raschdorff das Mausoleum ausserhalb der Mauern des Friedhofes im Übergangsbereich zum Stadtpark, welcher ebenso von Dittrich angelegt wurde und anfangs wohl als Privatgarten diente. Raschdorff war zu dieser Zeit einer der bekanntesten Architekten im deutschen Raum und schuf u.a. den Berliner Dom sowie das Mausoleum für Friedrich III. von Preussen in Potsdam.

Bereits ein Jahr später galt das Mausoleum als äußerlich fertiggestellt und August Frind begann mit der Ausgestaltung der Wände als Zyklus der Lebensweise, welcher wichtige Ereignisse im Leben Carl Dittrichs enthielt.

 

Eher ungewöhnlich wirkt das Vorhandensein eines Heizhauses neben dem Mausoleum und der Fakt, das dies wirklich zur Beheizung des Grabmals diente! Allerdings sei dazu erwähnt, das eine Nutzung des Gebäudes für Trauermessen wohl eher der Grund für eine derartige Heizung war als der konstante Temperaturerhalt für die Verstorbenen...

Mausoleum Dittrich Foto: Susann Wuschko
Diese 2 Engel der Bildhauer-Brüder Schwarz wiesen mir den Weg ...

Der Eingangsbereich des Mausoleums wird geprägt durch zwei Figuren, geschaffen von 2 weiteren bekannten Bildhauergrößen dieser Zeit: Adolf und Anton Schwarz. Sie symbolisieren den Schlaf (mit Mohn in der Hand) sowie den Frieden (mit Palmzweig in der Hand).

 

Erst 1897 sollten die Arbeiten am Innenraum abgeschlossen sein, in der Krypta ruhte der Vater Carl Dittrich sen. bereits in seinem Sarg aus schwarzem und grünem Diabas, nachdem er bereits 1886 verstorben war.

Bereits 1918, im Todesjahr Carl Dittrichs, wird das berühmte Architekturbüro Lossow und Kühne aus Dresden Umbauarbeiten an der Krypta vornehmen und es erfolgt eine großflächige Mosaikausgestaltung in Gold und Blau von der Berliner Firma  Puhl und Wagner. Bis in die 40er Jahre hinein soll das Gebäude noch gepflegt werden und seinen Zweck erfüllen- und plötzlich ist alles anders...

 

Tod, Verfall und Vergessen -das Schicksal deutscher Gräber in einem neuen Land

Jahrzehnte des Verfalls und nicht begehbar derzeit
Jahrzehnte des Verfalls und nicht begehbar derzeit

Die Vertreibung der Deutschen hat für den Friedhof sowie das Mausoleum denkbar negative Folgen. Niemand ist mehr da, der die Gräber der Angehörigen pflegt, Geld für den Erhalt von Denkmälern, die doch immer wieder nur an das deutsche Erbe und die deutsche Zeit erinnern- auch an die Zeit des 2. WK und die Besetzung Tschechiens- ist nicht da und will dort auch nicht ausgegeben werden.

 

So schlafen die Gräber ihren langen Traum- erzählen in deutscher Sprache von den Zeiten der großen Industriellen des Ortes, werden wohl auch Ziel von mutwilliger Zerstörung. Und sie werden von den Deutschen auf der anderen Seite der Grenze vergessen, verfallen und sind der Erosion ausgesetzt. Sie sterben ganz langsam und unbemerkt... oder waren lange Zeit einfach unerreichbar für die Nachfolger der Menschen, die einst hier lebten und diejenigen, die selbst vertrieben wurden. Bekannter sind sie wohl unter dem Namen: Sudetendeutsche.

 

Friedhof Krásná Lípa
Vermutlich hatte dieses Grab einst einen großen steinernen Bogen und war sehr prunkvoll

Hoffnung und Neuanfang- gemeinsam und ohne Grenzen

Hier wurde ordentlich aufgeräumt...
Hier wurde ordentlich aufgeräumt...

Am Mausoleum wird offensichtlich gearbeitet. Die Alleen des Parks- sehr gepflegt. Neue Pflanzungen, gepflegte Wiesen, offensichtlich werden auch die alten Grabmäler wieder vom Efeu und Unkraut befreit. Es passiert etwas in Krásná Lípa. So wie überall im Grenzgebiet, das einst Deutsch war und nun von den nächsten, jungen Generationen bewohnt wird und als Heimat angesehen wird. Denn das ist das Wichtigste: etwas für den Ort zu fühlen. Aber auch: miteinander reden. Der tschechische Verein Omnium bemüht sich um solche Mammutprojekte wie dieses Mausoleum. Aber auch um Kirchen, Klöster und andere Denkmäler dieser Grenzregion. Dafür kommen junge Tschechen und die Nachfahren der Sudetendeutschen zusammen- man findet die gemeinsame Geschichte in den steinernen Zeugen der Vergangenheit.

 

Hilfreich und entscheidungsbringend war für das Mausoleum die Forschungs einer Studentin: Barbora Větrovská und ihre Dissertationsarbeit aus dem Jahre 2020: "Die Familie Dittrich und ihr Architektur- und Bauerbe". Ohne meine Suche nach den Werken der Brüder Schwarz, welche ich vor 2 Jahren begann, wäre ich nie auf dieses Mausoleum gestoßen- und ich hätte wohl nicht so schnell davon erfahren, was hier bei unseren tschechischen Nachbarn gerade passiert!

 


Zum Nachlesen:

Diesen Artikel hätte ich niemals verfassen können, gäbe es da nicht andere fleißige Internetautoren, die sich mit Krásná Lípa und der Geschichte intensiv befassen. Viele Informationen mußte ich auslassen, sollte es doch letztendlich nur um ein Mausoleum und einen Friedhof gehen...

 

(Alle Seiten sind in deutscher Sprache oder werden von Google automatisch in gut lesbarer Form übersetzt.)

 

Die offizielle Seite zum Mausoleum und der Sanierung:

http://hrobkadittrich.cz/

 

Diese Seite bietet umfangreiche Informationen zur Geschichte der Region Lausitzer und Zittauer Gebirge. Der Link führt Sie direkt zur Geschichte von Schönlinde.

http://www.luzicke-hory.cz/mista/index.php?pg=obkrlid

 

Zum Thema Erbe der Sudetendeutschen und Denkmalserhalt:

https://www.deutschlandfunk.de/tschechien-zwischen-saekularisierung-und-sehnsucht-nach-100.html