ehemals: Grabstelle von 1905 (?) für Selma Zier, Selma Bergt und Karl Fr. Schulze
heute im Denkmalpflegeteil: Erinnerungsstätte für Dr. phil. Karl August Jurasky, Professor für Botanik und Brennstoffgeologie (1903-1945)
Die Reliefplatte aus Marmor war ursprünglich 1905 in einem anderen Bereich des Friedhofes an einer Ruhestätte zu finden, von der weder der Auftraggeber noch die Auftragssituation bekannt sind. Die damals in der Ruhestätte beigesetzten Personen waren Selma Zier, Selma Bergt (verst. 12.Juni 1888) und der Oberlehrer Karl Friedrich Schulze (verst. am 24. Mai 1893). Ich wage allerdings daran zu zweifeln, das Schilling dieses Relief erst nach 1900 schuf. Es ist bekannt das der Engel auf dem Taucherfriedhof wohl das letzte Werk war, für 1906 ist bekannt, das Schilling aufgrund seiner Erblindung nicht mehr arbeiten konnte. Ob er in hohem Alter noch ein doch eher überschaubares Relief schaffen konnte oder nicht, bleibt wohl offen. Da es keine auffindbaren Verbindungen zwischen den Bestatteten gibt bleibt wohl so einiges zu diesem Relief unklar, da es sich aber um einen Schäfer (männlich) handelt und solche Darstellungen mir eigentlich nicht für in Auftrag gegebene Frauengräber bekannt sind, könnte es wohl nach 1893 für den Oberlehrer entstanden sein, das christliche Motiv spricht für einen gläubigen Menschen.
Interessanterweise findet sich eine Information zu Selma Zier in der Leiziger Zeitung von 1849. Aus der dort abgedruckten Todesanzeige geht hervor, das am 1. September 1849 ein gewisser Gegenschreiber namens Johann Heinrich Zier starb. Seine Ehefrau war Laura Auguste, geb. Barthel. Die Töchter hießen Selma und Olga Theone. Der Vater wurde nur 57 Jahre alt und starb an einem Nervenfieber. Aus anderen Unterlagen geht hervor, das er zum Bergamtsexpeditionspersonal gehörte und dort die Stelle als erster Bergamtsprotokollist und Gegenschreiber hatte, z.B. findet er Erwähnung in Jahrbüchern für den Berg-und Hüttenmann von 1831 und 1835. Die doch sehr präzisen Angaben lassen vermuten, das es sich bei der Bestatteten wohl um die Tochter handelt, leider ist ihr Todesjahr in den Friedhofsakten wohl nicht erwähnt.
Eine Neuvergabe der Grabstelle erfolgte 1947 an eine Familie Nowack, bei Neuanlage des Denkmalpflegerischen Teils wurde die Marmorplatte dann für die Erinnerungsstätte Prof. phil. Karl August Juraskys genutzt und somit blieb zumindest die von Schilling erstellte Darstellung des entschlafenen Schäfers mit den drei Engeln, dessen mittlerer mit der Verkündigungsgeste der Hände den Übergang des Schäfers darstellt, erhalten.
Prof. phil. Jurasky erscheint in der Geschichte der Bergakademie als interessante Persönlichkeit, mit über 50 Publikationen vor allem zur Brennstoffgeologie sowie seinem ausgezeichneten Pflanzenwissen hätte er wohl für viele Jahre die Akademie bereichern können. Der 2. Weltkrieg und ein für Jahre ungeklärter viel zu früher Tod verhinderten es. Am 7. Mai 1945 zog die rote Armee in Freiberg ein und zwang Jurasky, auf einem Panzer mitzufahren und den Weg zum Schloß Freudenstein und zum Rathaus zu zeigen. Als er danach weiterhin mitfahren sollte, sprang Jurasky vom Panzer und wollte flüchten. Die Rotarmisten schossen auf ihn und so starb der wohl sehr beliebte junge Professor auf der Stollngasse 10 vor dem damaligen Lebensmittelgeschäft. Frauen erkannten ihn und trugen ihn noch ins Haus, einen Tag später wurde die Leiche von Hilfspolizisten abgeholt und wohl anonym begraben. Die Familie wurde damals nicht über den Verbleib informiert und die Ehefrau erfuhr erst 18 Jahre später von einer damaligen Zeugin, die ihr Schweigen dann erst brach, das ihr Mann nie in ein Lager verschleppt wurde sondern in Freiberg verstorben war.
Somit erinnert heute zumindest das Marmorrelief an ihn, auch wenn dessen eigentliche Entstehung und vor allem, für wen Schilling es einst schuf, wohl noch unklar bleibt.