Es war im Corona-Jahr 2020- irgendwann im Frühjahr, als meine Aktivitäten als Gästeführerin zum Stillstand kamen. Lockdown. Drin Bleiben. Macht es Sinn, die eigene Webseite mit neuen Führungen oder touristischen Highlights zu füttern, wenn nicht klar ist, wie es weitergeht- wann und ob in dieser Form? Ich muss raus hier- aber was darf ich noch?
Zur Erholung dürfte man ins Grüne, spazieren gehen. Das taten anscheinend tausende Menschen- volle Elbwiesen, voller Großer Garten. Wo aber hin, wenn man seine Ruhe haben will?
Friedhöfe sind Orte der Ruhe, sie laden uns ein, zu uns zu kommen. Sie sind Grünflächen in einer Großstadt. Lebenswelt von Tieren und Pflanzen. Orte des Treffens mit Distanz. Ideal also für ein so verrücktes Jahr. Und so hatte ich mein neues Jahresprojekt gefunden. ALLE Friedhöfe Dresdens und auch die des Umlandes erkunden. Das hatte ich noch nie getan, und bei ca. 70, die ich nun schätzungsweise erkundet habe, wird es nicht bleiben.
Irgendwie erstmal Kontakte knüpfen...
An einem dieser Tage entdeckte ich einen Zettel im Aushangkasten eines Friedhofes, der genau zu meiner Suche passte, denn schon länger hatte ich mich gefragt, wie man "rankommt" an die Verwaltungen, die Zuständigen. Wo bekomme ich Infos her, wo gibt es noch Archive- und wen muss ich kennen, um diese auch einsehen zu können?
Die Annenfriedhöfe in Dresden stehen unter der Verwaltung einer sehr engagierten jungen Frau namens Lara Schink. Früher oder später begegnet man ihr auf Pressefotos und namentlich in Texten zur Friedhofskultur Dresdens. Ihr Aufruf zum Mitmachen beim Freundeskreis der Annenfriedhöfe hat nicht nur mich erreicht. Und das ist nun über ein Jahr her.
Seitdem habe ich viele tolle Menschen kennengelernt- engagierte Friedhofsgärtner, andere Friedhofsverwalter, Mitglieder des Denkmalfort e.V., die mir sogar eine Sonderführung auf dem russischen Garnisonsfriedhof gaben (ach, da war ja auch noch was zu erarbeiten...)- und es wird immer spannender. Manche Kontakte müssen in der Warteschlange ausharren- plötzlich sind da wieder die Gäste in der Stadt, plötzlich muss ich wieder "richtig" arbeiten.
Manche nennen es wohl: "sich erden"
Aber es ist anders als früher. Wenn es mir zu viel wird, oder ich einfach etwas Natur zwischen den Fingern brauche statt Kopfsteinpflaster unter den Sohlen- dann schnappe ich mir meine Handschuhe und meine Gummistiefel und gehe auf den Alten Annenfriedhof. Besuche Herrn Prof. Näcke oder auch Frau Ganssauge und sorge dafür, das ihnen das Unkraut nicht über den Grabstein wächst. Denn das ist auch Friedhof: Gräber pflegen, Geschichte erhalten, Unbekanntes wieder ans Licht bringen.
Irgendwie ist das auch etwas Spirituelles, auch wenn das wohl nicht gleich Jeder versteht. Aber kennen Sie das- wenn man im Garten was geschafft hat? Richtig auspowern- mit dem Resultat, das es dann schön ist? Andere sich daran erfreuen? Wenn Sie keinen Garten haben, aber danach suchen, kann ich Ihnen etwas empfehlen- schauen Sie mal auf Friedhöfen nach- fragen Sie einfach die Gärtner oder Verwalter, ob es Freundeskreise gibt. Ob man helfen kann. Immer mehr solcher Projekte entstehen derzeit, wer in der Dresdner Neustadt lebt- der Innere Neustädter Friedhof freut sich über jeden Helfer! Und falls Sie nun denken: wie öde, Efeu kürzen und Kies harken- weit gefehlt.
Projekte wie das Green Urban Labs II auf dem Neuen Annenfriedhof zeigen die Zukunft der Friedhofskultur. Freiräume schaffen, Vorhandenes erhalten und integrieren- ökologisch denken. Das beinhaltet auch geplante Vorhaben zur Nutzung ehemaliger Grabflächen zum Gärtnern, ich freue mich schon darauf, wenn ich soweit bin und alte Kräuter wieder auf Gräbern wachsen dürfen!
Es braucht einen langen Atem, viele Erklärungen und eine Hartnäckigkeit, die nicht jeder aufbringt. Ich habe im letzten Jahr sehr viele hartnäckige Engagierte kennen gelernt und bin dankbar für diese Erfahrungen. Was diese seltsame Zeit mit uns macht hängt auch davon ab, wieviel wir geben wollen- ohne nach dem Lohn zu fragen, nach einem Wert X, der auf einem Konto erscheint. Friedhofsengagement kostet Zeit und Liebe, wer sich darauf einlässt bekommt allerdings auch ein neues Verständnis vom Wert des Miteinander und des Füreinander. Denn hier, an diesem Ort, sind alle Menschen gleich...
Viele weitere warten noch...
Prof. Näcke mag ja eine Persönlichkeit sein, aber was ist mit den anderen historischen Gräbern? Frau Schink macht es uns Engagierten nicht schwer: Machen Sie einfach! Die Friedhöfe sind dankbar für jede helfende Hand, nur vorher Absprechen ist wichtig, denn manchmal sind Gräber nicht ganz sicher im Stand oder aber es gibt da doch noch Nachfahren, die sich eigentlich drum kümmern oder eine Firma wird dafür bezahlt.
Dem Alten Annenfriedhof tun seine Helfer gut, alte Grabstellen wurden bereits neu bepflanzt, nebenbei wird die Geschichte der dort Bestatteten erforscht- und Menschen kommen zusammen und haben soziale Aufgaben in dieser Stadt. Es steckt letzten Endes ganz viel Leben in solchen Projekten- und wer weiß, vielleicht ist das ja auch etwas, das Sie anspricht? Nicht nur wir freuen uns über jeden Interessierten!
Hier geht es zur offiziellen Seite des Freundeskreises der Annenfriedhöfe