Ich hatte die Dame bereits als Beispiel für die Giesserei A. Milde schon einmal erwähnt. Es ging um die lange Suche nach dieser Firma und ihre Geschichte. Ich ahnte nicht, das es da noch eine Fortsetzung in ganz anderer Richtung geben würde und das sich ganz neue Verbindungen zu Altbekannten bieten würden.
Ein Glücksfund in der Slub Dresden wird für viele Artikel als neue Quelle dienen, und dieser erste Artikel ist ein kleiner Anfang, bietet das mir nun zur Verfügung stehende Material, welches mir in den letzten Monaten außer diesem Fund wie von Geisterhand zugeflogen kam und wofür ich mich bei entsprechenden Helfern bedanken möchte, doch eine ungeahnte Möglichkeit, das wohl größte Dresdner "Friedhofs-Phantom" -August Stösslein- sowie seine Werke etwas transparenter zu machen. Kurzum- ich werde Ihnen in naher Zukunft sowohl August Stössleins Lebzeiten als auch einige andere Informationen verraten- die Freigabe der Todesurkunde im Archiv macht es jetzt erst möglich.
Heute soll es erstmal um eine ganz besondere Figur gehen, die endlich auch etwas Licht in die Zusammenarbeit der einzelnen Künstler und Firmen bringt. Die Figur ist hier in Dresden von der Firma A. Milde erhalten- das ich allerdings das "Original" in Stein finden würde und dieses den Künstler verrät, hätte ich nicht geahnt. Und vor allem nicht, das es wieder einmal Stösslein sein könnte, der da rumspukt...
Selmar Werner und August Stösslein- eine jahrelange Zusammenarbeit
Seit Längerem forsche ich nun schon nach den überlieferten Werken von Selmar Werner, und durch den Fund des Original Angebotskataloges August Stössleins von 1915 hat diese Suche einen regelrechten Quantensprung gemacht; bietet dieser Katalog, der im Normalfall nur zur Ansicht vor Ort zur Verfügung steht, doch eine unglaubliche Quelle an Künstlernamen, Grabmälern und Orten, Wo, Wie und mit Wem August Stösslein zusammengearbeitet hat.
Und eines wird schnell klar: manche Namen wiederholen sich so oft, das man davon ausgehen kann, das Stösslein mit diesen Künstlern in jahrelanger Kooperation stand: Allen voran Selmar Werner, aber auch der für das Bauhaus bekannte Wilhelm Kreis, der vielen Dresdnern nur für sein Hygienemuseum bekannt sein mag! Das genau dieser Architekt aber auch im Bereich der monumentalen Friedhofs-Kunst unterwegs war, dürfte einige überraschen...
Wie schon mehrere Male passiert, so kam es auch dieses Mal wieder zu einem Aha-Erlebnis, den die Figur mit der Katalogs-Nummer 172 auf Seite 36 auslöste. Eine offensichtlich steinerne Figur einer Trauernden, die sich nach vorn beugt und eine Rose aufheben will.
Sie wurde geschaffen für das Grabmal des k.k. Postrat Dr. Ehrenberg und sollte /soll lt. dem Katalog auf dem Friedhof in Mödling bei Wien stehen... Das werde ich dann natürlich überprüfen und Ihnen meine Ergebnisse hier mitteilen.
Mit dieser Entdeckung bekommt unsere Trauernde allerdings eine ganz neue Hintergrund-Geschichte.
1. Jetzt kennen wir den Künstler (sie ist leider unsigniert). Es handelt sich, wieder einmal, um Selmar Werner.
2. Diese Figur ist ein Abguss einer vorher existenten Figur, geschaffen in Stein für ein Grab in Österreich. Dieses wurde von der Firma August Stösslein geschaffen und dürfte wohl eine spezielle Auftragsarbeit an das Team Stösslein/ Werner gewesen sein.
3. Der Werner-Entwurf wurde von der Firma A. Milde, ansässig in Dresden, für den Dresdner Johannisfriedhof (und somit für den "Präsentations-Friedhof" des Dresdner Unternehmens Stösslein direkt vor der Haustür!) noch einmal in Guss geschaffen.
Nun stellt sich doch die Frage: War Stösslein direkt an der Gestaltung des Dresdner Grabmals beteiligt und beauftragte die Firma Milde lediglich mit dem Guss? Das Werner seinen Entwurf an eine andere Grabmalsfirma abgegeben hat halte ich für sehr unwahrscheinlich, schließlich gibt es das gleiche Phänomen der 2 Versionen ja schon einmal bei diesem Grabmal. Die Firma Milde dürfte auch eher nur für den Guss, weniger für den Sockel zuständig gewesen sein. Da es bereits mehrmals Anfragen gab, mit welchen Giessereien Stösslein oder Werner zusammen gearbeitet haben, könnte dies ein Hinweis sein. Zumindest in diesem Fall war es die damals sehr bekannte Firma A. Milde. Ob man dies nun auch auf alle anderen Werner- Figuren wie den Wanderer übertragen kann, ist natürlich damit noch nicht bestätigt. Letztendlich hat Milde eigentlich "immer" signiert- oder etwa nicht und unser Bild von dieser Firma ist dadurch verzerrt? Hat die Giesserei doch sehr viel mehr produziert als uns derzeit bekannt ist?
Und an dieser Stelle kommt auch noch eine ganz andere Frage auf: Wie viele Exemplare dieser trauernden Dame von Selmar Werner gibt es? 2 sind es mit Sicherheit- eine aus Stein, eine aus Metall. Doch was man einmal giesst, kann man auch wiederholen, oder?
Ich würde mich freuen, wenn Leser, denen weitere Exemplare bekannt sind, mir davon berichten. Schon allein aus dem Umstand heraus, das im schlimmsten Fall des Diebstahls eine noch vorhandene Version für die eventuelle Rekonstruktion sehr hilfreich ist und zum anderen natürlich auch, um weitere Zusammenhänge zu finden.
Selmar Werners Freundschaften und Zusammenarbeit mit anderen Künstlern
Eine Buchentdeckung in der Bibliothek macht es möglich, weitere Details zu Selmar Werners Beziehungen zu anderen Künstlern aufzuzeigen. Diese sind vor allem für die Friedhofsforschung sehr interessant, beinhaltet diese Namensliste doch sehr viele Bildhauer und vor allem Hinweise auf Zusammenhänge, die mir an anderer Stelle zwar begegneten, ich sie aber noch nicht so recht zuordnen konnte. Es wird vor allem eines deutlich: sehr viele Werke der Bildhauer, die wir an Einzelwerken in der Stadt Dresden oder anderswo ausmachen, sind bisher unbeachtet, trotzdem sie erhalten blieben. Es sind die Friedhofsplastiken, die wie eine eigene Ausstellung der Bildhauerkunst der Jahrhundertwende 19./20. Jh. wirken.
Hier nun die Verbindungen der Künstler untereinander, wenn bereits Artikel zu von mir entdeckten Friedhofs-Werken bestehen, verlinke ich diese direkt.
- August Schreitmüller. Werner lebte ab 1900 zusammen mit August Schreitmüller im Haus in der Blasewitzer Str.9
- Robert Diez. Werner war ab 1894 Meisterschüler bei Robert Diez und arbeitete in dessen Atelier. Ab 1898 hatte er dann ein eigenes Atelier.
- Theodor Richard Thiele. Werner arbeitete als Geselle bei Thiele in Hamburg und dieser empfahl ihm, an der Kunstakademie Dresden zu studieren
- Befreundet mit: Hans Unger, Sascha Schneider, Richard Müller, Richard Guhr, Karl May, Wilhelm Kreis
- August Hudler. Werner wurde 1906 Hudlers Nachfolger als Lehrer für Bildhauerei an der Kunstakademie Dresden (8 Jahre nach Studienende!). In dieser Zeit kam es zu einer tiefgreifenden Erneuerung des Lehrkörpers der Kunstakademie.
- War Mitglied in der Vereinigung: "Die Zunft" (Näheres dazu in Kürze...), Mitbegründer der Künstlervereinigung Dresden, Mitglied im deutschen Künstlerbund
- als Professor bildete er ab 1907 ca. 70 Studenten aus, anfangs wechselten allerdings etliche seiner Schüler zu den Meisterateliers von Robert Diez oder Georg Wrba
Weitere Neu-Entdeckungen zu Selmar Werner...
Grabmal Familie Wolf
um 1900
Friedhof in Dresden
Signatur S. Werner links neben Heinrich Wolfs Porträt
Das spätere Familienoberhaupt Felix Wolf, welches auf dem Grabmal unter dem Porträtrelief (wohl die Eltern?) als Kaufmann-und Fabrikbesitzer bezeichnet wird, konnte ich sogar ermitteln. Es handelt sich dabei um einen Mitbesitzer der Firma B. Lohse und Rothe, einer Fabrik für Dachpappen, Teerprodukte und Asphalt, welche 1868 gegründet wurde und ihre eigentliche Produktionsstätte in Niederau hatte. Das Geschäftshaus war 1908 in der Rosenstrasse Nr. 43 in Dresden/Altstadt, einen Lagerplatz besaß man 1910 auf der Fröbelstrasse 30. Dort findet man heute nur noch den Kreuzungsbereich Ammonstrasse/ Rosenstrasse mit der Strassenbahn und dem S-Bahn-Haltepunkt Freiberger Strasse. Die Firma war königlicher Hoflieferant und gehörte im Jahre 1908 der Witwe Anna Göhler, Richard Ganßauge und Felix Wolf.
Die Werbeanzeigen, welche ich für diese Informationen genutzt habe finden Sie auf der Seite altesdresden.de. Hier der direkte Link zur Rosenstrasse 43.
Grabmal Ernst Adolf Lenk
Kunstmaler
geb. Juli 1870
gest. August 19..(10? oder 12?)
Über Ernst Adolf Lenk ist fast nichts bekannt und nur 2 seiner Zeichnungen sind in den SKD überliefert.
Die Schrift auf seinem Grabmal ist stark verwittert und so ist auch hier das Todesdatum vorerst nicht klar erkennbar.
Die Signatur S.Werner ist allerdings klar rechts neben dem Porträt erkennbar.
Literaturtipps:
Ernst-Günther Knüppel: Robert Diez. Bildhauerkunst zwischen Romantik und Jugendstil. Leipziger Universitätsverlag 2009
Uwe Lehmann: Bunte Blätter aus Selmar Werners Leben und Werk. In: Karl May-Haus Information Nummer 30. Uwe Lehmann aus Gera forscht seit Jahren zum Bildhauer Selmar Werner und Karl May und ich bedanke mich bei ihm für die bisherige Zusammenarbeit.