Im Jahre 1852 fand man im Schreibtisch der ein Jahr vorher verstorbenen berühmten Autorin des "Frankenstein", Mary Shelley, etwas nicht ganz Alltägliches. Ob es nun in ein seidenes Tuch oder in das Gedicht "Adonais" eingewickelt war, tut wohl nicht so viel zur Sache wie der Umstand, woher die Erfinderin des neuen Prometheus das aufgefundene Herz hatte.
Worüber sich heute die Kriminalpolizei Gedanken machen würde, war damals schnell erklärt- schließlich war die Geschichte bekannt. Aber das die Witwe das Herz ihres Mannes wirklich 30 Jahre lang aufbewahrt und auch auf Reisen mitgenommen hatte, war auch für die damaligen dunkel-romantischen Verhältnisse außergewöhnlich.
Ein Leben ohne Konventionen
Mary Godwin war gerade erst 16, als sie Percy Bysshe Shelley kennen und lieben lernte. Gegen sämtliche Konventionen der damaligen Zeit war er ein verheirateter Mann, dessen Frau letzten Endes sogar Selbstmord beging und galt als Rebell in allem, was er tat. Als ein Vegetarier, der gegen die Ehe in der damaligen patriarchalen Form war und nebenbei auch noch von Schuldscheinen auf sein zukünftiges Erbe lebte, war er der Alptraum der Gesellschaft.
Letzten Endes wird er als Schriftsteller nie hinter seiner so bekannten Frau hervortreten können- zu kurz soll sein Leben sein und zu abrupt enden, um seine Werke vor allem für uns Deutsche berühmt zu machen.
Das Leben des Paares wird durch 2 große Reisen definiert. Die erste geht an den Genfer See, wo die Nähe zu Lord Byron und anderen Freigeistern zu dem Erfolgsroman führen wird, der Mary Shelley bis heute so unsterblich macht.
Das Leben wird ihr allerdings nicht so gnädig sein wie ihr Nachruhm- 3 der 4 Kinder sterben in sehr jungen Jahren, und im Jahre 1822 (kurz vor ihrem 25. Geburtstag) wird sie bereits zur Witwe.
Ein Rebell über den Tod hinaus
Es ist der 8. Juli 1822. Percy Shelley und seine Begleiter haben sich ein Segelboot geliehen und sind im Ligurischen Meer bei Viareggio unterwegs. Ein Sturm zieht auf und die Männer kehren nicht zurück. Tage später findet man ihre angeschwemmten Leichen am Strand und bestattet sie, wie damals für Schiffbrüchige üblich, an Ort und Stelle im Sand, nachdem man sie mit Ätzkalk überschüttet hat.
Die Familie Shelleys wünscht aber, das er auf dem protestantischen "Cimiterio Acattollico"in Rom bestattet wird, da dort schon sein jung verstorbener Sohn liegt. Um die Quarantäne zu umgehen und die Leichenüberführung überhaupt zu ermöglichen, doch vielleicht auch aus idealistischen Gründen, will man "auf die alte Sitte der Leichenverbrennung" zurückgreifen. Dies ist zur damaligen Zeit nicht nur in Italien ein unerhörtes Vorgehen, und nur der Einfluss von Shelleys Freund Trelawny ermöglicht die Duldung dieses Unterfangens.
Am 16. August 1822 wird man Percy Shelley aus dem Sand des Strandes exhumieren und auf einem Scheiterhaufen mit extra errichtetem eisernen Gestell verbrennen. Es waren Beamte, Soldaten, Fischer und seine Freunde anwesend, die Weihrauch und Salz nach römischer Sitte ins Feuer gaben und den Leichnam mit Öl und Wein übergossen.
Außer einigen Knochenresten blieb überraschenderweise das Herz bestehen- heutige Mediziner gehen von einer Art Kalzierung aufgrund einer früheren Tuberkulose aus. Mary Shelley erhielt das Herz ihres Mannes, und so kam es, das sie es bis zu ihrem Lebensende bei sich trug.
Erst 69 Jahre nach seinem Tod sollte Percy Shelleys Herz Ruhe im eigenen Grab finden, als es zusammen mit seinem gerade verstorbenen Sohn auf dem oben erwähnten Friedhof in Rom bestattet wurde. Auf dem Grabstein Shelleys stehen die Worte Cor Cordium. Das bedeutet: Herz der Herzen.