Ein länderübergreifendes Forschungsfeld mit einer Neuentdeckung für Dresden?
Es war wieder dieser Moment, wenn man plötzlich das Gefühl hat, etwas schon einmal gesehen zu haben. Ich weiß nicht einmal, wie ich zu dem Bild fand- wohl über eine andere Figur, die ich recherchierte. Und da war er plötzlich. Dieser Engel, den ich gerade noch in meinem geliebten Bildband gesehen hatte und der auf dem Johannisfriedhof zu finden ist.
Bisher hat das Buch immer die Namen der Künstler verraten, die ich auch auf anderem Wege herausfand. Es gab also immer 2 Quellen, die so eine Art Bestätigung lieferten. Mit Bild der Grabmäler, somit war auch keine Verwechslung möglich. Und zum ersten Mal steht da nun "unbekannt". Ich habe also einen Zwilling mit Künstlernamen gefunden und spiele das schöne Spiel: Finde die Unterschiede. Ich nehme es vorweg: ich brauchte wohl 20 Minuten um zu akzeptieren, das es wohl der gleiche Entwurf ist! Natürlich bestürme ich auch nicht einfach so Grabstätten, nur um eine Signatur zu finden, vielleicht gibt es sie sogar und es ist längst bekannt. Dann könnte es natürlich trotzdem spannend sein, wie viele es davon noch gibt...
Der Engel in der Mitte hat mich doch sehr stutzig gemacht!
Es handelt sich hier um die Grabstätte der Familie Grohmann in Cvikov OT Lindava in Böhmen (nicht sehr weit weg von der Deutsch-Tschechischen Grenze und somit in dem Bereich, der vor dem 2. Weltkrieg deutsch geprägt war). Und bevor ich es vergesse: die rechte Figur stammt von Josef Seiche aus Teplice. Den Nachweis für die Christusfigur finden Sie weiter unten- denn er stammt auch von Familie Schwarz.
Wichtig ist vor allem die Signatur, die den Engel eindeutig kennzeichnet. Nur so ist ja beweisbar, das er als Werk der Gebrüder Schwarz gelten kann.
Die weiteren Angaben sagen aus, das es sich um den Friedensengel von 1876 handelt, und das dieser von Wenzel Schwarz und Robert Henze stammt. Ausgeführt hätte ihn dann wohl der Bruder Franz Schwarz.
Geht man dann etwas weiter in der Forschung zu diesem Wenzel Schwarz, stößt man auf den Grund, warum diese Verbindung für uns in Dresden kaum zu finden ist- und warum der Künstler Wenzel Schwarz so unbekannt, vor allem als "Bildhauer" ist.
Dieser Lexikoneintrag von 1876 verrät es: er war schon damals unbekannt, obwohl er erfolgreich war. Und er war Maler, kein Skulpteur.
Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich -32ter Band
Ab 1876 wohnt er allerdings in Dresden, und als Maler wird er nicht so unbekannt bleiben, denn er wird auch als Kopist für die Gemäldegalerie Dresden arbeiten, aber auch in Sächsischen Kirchen, zusammen mit seinen Brüdern, sehr vielseitig wirken.
Und so findet sich mehr und mehr zu der Familie Schwarz- und das sie auf dem Johannisfriedhof begraben liegen.
Eine Künstlerdynastie
Alles beginnt mit den Eltern, dem Feldgärtner Wenzel Schwarz und Anna Bernert, die gemeinsam 16 Kinder haben und im Spittelgrund Nr. 3 bei Grottau an der Neiße wohnen. 5 der vielen Kinder werden eine künstlerische Laufbahn einschlagen und von ihrem Onkel, dem Bischof von Dresden-Bautzen Franz Bernert unterstützt.
Der älteste, Franz Schwarz wird 1841 geboren, es folgen Wenzel und Joseph sowie Anton und Adolf als Künstler in der Familie. Der Älteste wird in Dresden ab 1860 studieren und danach ein Atelier gründen, in welchem auch seine Brüder teilweise viele Jahre mitarbeiteten. Anton und Adolf werden allerdings später das eigene Atelier: " Gebrüder Schwarz" gründen. Ob es immer eine klare Trennung gab und welches Schwarz-Atelier zuständig war ist allerdings fraglich, es scheint sehr oft zu Kollaborationen gekommen zu sein.
Die Gräber der Schwarz- Brüder finden sich auf dem Johannisfriedhof:
Neue Erkenntnisse zu anderen Figuren?
Mehrmals fertigten die Brüder Schwarz, allen voran Franz Schwarz, Christusstatuen nach Vorbild Thorvaldsen oder nach Entwürfen anderer Künstler an. Eine davon findet sich auf dem Johannisfriedhof- Grabstätte Richter.
Hier ein Hinweis aus den Dresdner neuesten Nachrichten vom 13.8.1885
Zitat:
"Die bereits bekannte Statue des Christus vom Bildhauer H. Bäumer ist, in Carrara-Marmor vom Steinbildhauer Franz Schwarz ausgeführt, während einiger Tage im Atelier des Letzteren, Eliasstrasse 87, öffentlich ausgestellt. Diese Statue ist für ein Grabdenkmal in Lindenau (Böhmen) bestimmt und wird sicherlich durch ihre hehre Schönheit und Anmut, welche durch die künstlerische Ausführung noch gewonnen, dem pietätvollen Zwecke in vollßtem Maße entsprechen."
Der kleine Zeitungausschnitt verrät auch gleich noch, wo das Atelier war- Eliasstrasse 87. Diese gibt es heute nicht mehr in Dresden, aber Sie ahnen schon richtig- sie lag beim Eliasfriedhof und es handelt sich mehr oder weniger um die heutige Güntzstrasse (bei der Kunstgewerbeschule).
Der Friedhof mit Dreifaltigkeitskirche von Český Dub -Ein Mausoleum verrät noch mehr...
Das es in Tschechien noch so einige Überraschungen gibt, ist bekannt. Vieles blieb über Jahrzehnte unbeachtet stehen und verfiel- und auch der tschechische Staat möchte gern historische Substanz erhalten, meist fehlt es allerdings am Geld.
Eine dieser "Mammutaufgaben" für eine Kleinstadt findet sich auf dem Friedhof in Český Dub. Dort ließ sich der Textilmagnat Franz Schmitt um das Jahr 1873 ein Mausoleum errichten. Die Pläne stammten vom Wiener Architekten Karl Tietz, der Baumeister Gustav Sacher, der vor allem in Liberec bekannt war, führte den Bau aus.
Das Schicksal der Familie ist nach 1945 ungewiss, und die Stadt versucht nun, dieses Mausoleum durch Spenden und andere Hilfsgelder zu sanieren (Stand 2016- vielleicht gibt es da aktuellere Meldungen).
Im Zusammenhang mit dem Wirken der Familie Schwarz sind vor allem die 3 Figuren, die zum Ensemble gehören näher zu betrachten. Eine davon, am Treppenaufgang entspricht der Maria mit Kind, die als Grabmal für die Familie Franz Schwarz nach 1904 auf dem Johannisfriedhof aufgestellt wurde.
In den oberen Nischen findet man 2 weitere Figuren: einmal eine Trauernde, die ein zweites Mal in Löbau auf dem Grabmal der Familie Roensch von 1881 zu finden ist (die erste Ausführung in Marmor aus dem Jahr 1879 stand einst auf dem Frankfurter Hauptfriedhof)- und zum anderen ein uns nun bekannter Engel . Damit wären es nun schon 3 Engelsfiguren.
Weitere Funde der Engelsfigur:
- Frauenfriedhof Zittau- Familiengrabstätte Posselt (ehemals Zimmermann-Gruft)
- Katholischer Friedhof Löbau- Familiengrabstätte Johann Ernst
- Friedhof Varnsdorf: Grabstätte der Familie Hanisch
Neuester Fund des Engels:
Kleinzschachwitzer Friedhof
Grabmal der Familie Henker
wahrscheinlich nach 1902