Le Cimetière de Préville


In Frankreich ist alles ein wenig anders...

 

Ich hatte den Friedhof im Internet entdeckt. Nur ein paar Informationen auf französisch über den "Père Lachaise" Lothringens. Die Rede war von Art Nouveau- Grabmälern und vielen Prominenten und reichen Bürgern der Stadt, die dort beerdigt sein sollen.

Es war klar, das zum Urlaub im Ausland der Besuch mindestens eines Friedhofs dazugehört. Ich hatte keine Ahnung, wie verschieden die französische Friedhofskultur zur Deutschen wirklich sein könnte!

 

Fotos zu sehen aus aller Welt ist das Eine- ich weiß, wie ein Grufthaus aussieht. Weiß, das nicht jeder Friedhof so grün ist wie die Parkfriedhöfe Dresdens oder Hamburgs. Aber wenn man dann inmitten von Wohnhäusern in einer Ansammlung aus kleinen und größeren Häuschen steht, kaum ein Grashalm zwischen die Steineinfassungen passt und der Grabschmuck eher aus mageren Plastikblumen besteht, muss man sich erstmal hineindenken in diese Kultur des Steinernen Monuments für die Toten.

  

Die École de Nancy gibt sich die ewige Ehre

 

Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird in der Architektur eine neue Formensprache erleben. Die belebte Natur wird in Stein gehauen, in Holz kunstvoll gedrechselt und in Fenstern eingefangen. Es nennt sich Art Nouveau, in Deutschland wird es als Jugendstil vorrangig in die Geschichte der Architektur und Innendekoration eingehen. Paris und Nancy werden in Frankreich den Ton angeben.

 

Die auch nach 1871 noch französische Stadt Nancy wird trotz ihrer "Grenzlage", oder vielleicht gerade deshalb zum aufstrebenden Ort für Künstler, Industrielle und Kaufleute. Der Zusammenschluß der Gewerke und das Mäzenatentum der reichen Bürger bringt die Schule von Nancy hervor. Die Individualität des Art Nouveau wird mit der zweckmäßigen industriellen Fertigung kombiniert. Man orientiert sich allerdings stärker an Gotik und Rokoko, und so entsteht ein ganz eigener Stil, der für wenige Jahre seinen Siegeszug feiern wird.

 

Das Selbstbewußtsein der Künstler und ihrer Gönner wird sich letztendlich in den Grabmälern auf dem Friedhof de Préville verewigen.

  

Monumental in jeder Hinsicht

  

Die Stadt selbst zeigt seit Jahrhunderten, wer sie ist- wo sie sich selbst sieht. Den Place de Stanislas hat man einmal gesehen und vergisst ihn nie mehr. Der Konkurrent unseres Augusts als König von Polen, Stanislaus I. Leszczyński, war zugleich der Schwiegervater Ludwig XV. Nancy wurde zur neuen Heimat des Exilanten. Und so kann man wohl sagen, Nancy ist monumental. Die Neuplanungen des Zentrums werden der Stadt den Glanz einer bedeutenden Großstadt verleihen. Und mit dem Glanz wird das Geld der Bürger folgen.

 

Das Erreichte in Stein festzuhalten ist somit ganz natürlich in einem Land des Sonnenkönigs, und der Prunk macht vor dem Friedhofstor nicht halt. Der Cimetière de Préville ist wie ein Who is Who der örtlichen Architekten, Bildhauer, Künstler, Stadtobersten und Fabrikanten. Und all dies auf so engem Raum, das man nicht weiß, wohin der Blick zuerst schweifen soll. Welches Grabmal ist das Interessanteste, welche Geschichte steckt dahinter?

 

Frieden finden im Meer aus Stein

 

Alles Monumentale braucht Zeit. Wirken lassen- das sollte man generell tun, wenn man Kunst betrachtet. De Préville ist wie eine wilde Sammlung steinerner Gemälde. Wie ein Kunstmuseum ausser Rand und Band. Wenn man dies erst einmal für sich annimmt, dann entdeckt man auch das Grün dazwischen. Die alten Bäume. Die amüsanten Macken und Eigenheiten. Sieht auch, das dieser Friedhof ein Problem hat -den Verfall. 

 

So wie bei allen steinernen Monumenten ist die Ewigkeit auch hier nur endlich. Und wer soll die Patenschaft für ein Grab übernehmen, wenn die Region eben nicht zum absoluten Speckgürtel zählt? Wenn die Sicht auf den eigenen Tod heute weit weniger prunkvoll ist wie vor 100 Jahren?

 

Der Cimetière de Préville ist einer dieser Friedhöfe, die den Fotografen zuerst überfordern. Den Historiker in Schnappatmung und den fühlenden Teil des Selbst in Schockstarre versetzen. Überwindet man diesen Punkt des überwältigt Seins, dann hat Préville so viel zu bieten das man das Gefühl hat, niemals alles gesehen zu haben.

 

Und vergessen kann man diesen Friedhof und seine Stadt wohl nie. 

 

Galerie der Eindrücke